Politische und wirtschaftliche Risiken steigen
Kreditversicherer als Risikonavigatoren
Quelle: Redaktion RiskNET 04.12.2014, 13:43
Zwischen der Lieferung einer Ware oder
Dienstleistung und der Bezahlung liegen nicht selten 30 bis 180 Tage. In
diesem Zeitraum kann auf der Seite der Kunden viel passieren. Über dem
Unternehmen schwebt daher immer das Damoklesschwert eines
Forderungsausfalls, denn Zahlungsziele sind im Kern Kredite, die ein
Lieferant seinen Kunden zur Verfügung stellt. Dies bindet nicht nur
Liquidität, sondern erhöht das gesamte Risikoportfolio des Unternehmens.
Bei der Warenkreditversicherung – die auch als Delkredere-Versicherung
oder Forderungsausfallversicherung bezeichnet wird – ist der Ausfall von
Forderungen bei Warenlieferungen oder Dienstleistungen versichert.
Damit reduziert eine Warenkreditversicherung vor allem die
wirtschaftlichen und politischen Risiken eines Unternehmens.
Gleichzeitig wird die Risikotragfähigkeit erhöht, da die Kreditversicherung als eine Art
Kapitalsubstitut dient. Teures Eigenkapital wird durch den
Versicherungsschutz substituiert. Ein solcher Zahlungsausfall kann etwa
durch die Insolvenz eines Kunden verursacht werden oder auch weil dieser
nicht entsprechend der vereinbarten Konditionen zahlt.
Im Kern kombiniert eine Warenkreditversicherung
Finanz- und Versicherungsdienstleistungen in einem Produkt. Zunächst
führt der Kreditversicherer eine Risikoanalyse in Form einer Bonitätsanalyse des Abnehmers durch. Die Basis hierfür liefern komplexe Risikoanalyse-
und Ratingtools, die auf vielfältigen Informationen (etwa
Bankauskünfte, Veröffentlichungen im Bundesanzeiger, eigene Analysen und
Zahlungserfahrungen) basieren. Bereits diese Analyse stellt aus der
Sicht des Unternehmens eine Art
Frühwarnfunktion dar. Liefert die Analyse ein positives Ergebnis, wird
der Kreditversicherer den Versicherungsschutz bis zu einer bestimmten
Höhe ("Limit") gewähren. Bis zur Höhe dieser Deckungssumme
gelten die offenen Posten aus Lieferungen und Leistungen als
versichert. Gerät der Abnehmer in Zahlungsverzug oder wird er gar
zahlungsunfähig, leistet der Kreditversicherer eine entsprechende
Entschädigungsleistung.
Kreditversicherer rechnen mit Zunahme der Unternehmensinsolvenzen
Das Deckungsvolumen der Warenkreditversicherer
erzielte zum Ende des dritten Quartals 2014 die Rekordmarke von 387
Milliarden Euro, das waren 5,4 Prozent mehr als zum selben Zeitpunkt des
Vorjahres. Das Deckungsvolumen gibt die Höhe des versicherten
Warenwerts an. Zudem übernahmen die Kautionsversicherer Bürgschaften und
Garantien in Höhe von rund 40 Milliarden Euro (+ 3,8 Prozent). "Die
Kreditversicherer sichern ihren Kunden Liquidität und ermöglichen
Wachstum – auch und gerade in einem schwierigen ökonomischen und
geopolitischen Umfeld", sagte Ralf Meurer, Vorsitzender der Kommission
Kreditversicherung des Gesamtverbandes der Deutschen
Versicherungswirtschaft (GDV).
Der Schadenaufwand der Kreditversicherer betrug in
den ersten neun Monaten rund 423 Millionen Euro (- 33,7 Prozent), für
Altfälle aus den Vorjahren zahlten die Versicherer weitere 269 Millionen
Euro (+ 45,7 Prozent). Von der Zahlungsunfähigkeit waren vor allem
kleine und mittlere Unternehmen betroffen, darunter so namhafte wie das
Modehaus Strenesse, der Weltbild-Verlag oder die Mitteldeutschen
Fahrradwerke MIFA. Insolvenzen von Großunternehmen gab es in diesem Jahr
nur wenige. Für das Gesamtjahr 2014 gehen die Kreditversicherer von
24.500 Unternehmensinsolvenzen aus (- 6 Prozent). Im kommenden Jahr
rechnen sie allerdings das erste Mal seit fünf Jahren mit einem Anstieg
der Insolvenzen um zwei Prozent auf dann 25.000. Grund dafür sind vor
allem Schwierigkeiten im Export: Der Euroraum entwickelt sich wesentlich
schwächer als erwartet, hinzu kommt eine sich verlangsamende Konjunktur
in China und eine Rezession in Russland.
Politische, wirtschaftliche und insolvenzrechtliche Risiken steigen
Die Kreditversicherer, die mit ihren Daten über
zahlreiche Unternehmen weltweit auch als Risikonavigatoren für ihre
Kunden fungieren, erkennen derzeit steigende politische, ökonomische und
insolvenzrechtliche Risiken: "Krisenherde wie in Russland und der
Ukraine, aber auch im mittleren Osten, in Südamerika oder in Asien haben
für die Weltwirtschaft wieder erheblich an Bedeutung gewonnen", sagte
Meurer. Die Ukraine-Krise und die bisher verhängten Sanktionen gegen
Russland würden das deutsche Bruttoinlandsprodukt im laufenden Jahr um
bis zu 0,2 Prozentpunkte belasten. Betroffen seien bislang vor allem
Unternehmen mit starker Ausrichtung auf den russischen Markt,
insbesondere aus dem Maschinenbau, dem Automobilsektor und der
Chemiebranche. Meurer betonte, dass die Assekuranz den Unternehmen aber
auch in einem schwierigen geopolitischen Umfeld weiterhin Deckung biete.
So ließen sich etwa Geschäfte mit Russland nach wie vor gegen
wirtschaftliche und politische Risiken versichern. Nach Schätzungen
dienen zwischen 40 und 50 Prozent der Warenkreditversicherungen zur
Absicherung von Exporten, die privaten Versicherer decken damit rund 15
Prozent der deutschen Ausfuhren und tragen so erheblich zur Exportstärke
Deutschlands bei.
Neue und bislang unterschätzte Risiken sieht Meurer
beim Thema Insolvenzanfechtung. Nach der deutschen Insolvenzordnung und
jüngeren BGH-Urteilen müssen Lieferanten unter Umständen bis zu zehn
Jahre lang bereits erhaltene Gelder zurückzahlen, wenn der Abnehmer
zahlungsunfähig wird: Insolvenzverwalter fordern dazu mit wachsendem
Erfolg Zahlungen vom Lieferanten zurück, die bereits Jahre vor der
Insolvenz geleistet wurden. Mit Hinweis auf vereinbarte Ratenzahlungen
oder Stundungen machen Insolvenzverwalter geltend, dass der Lieferant
die drohende Insolvenz seines Abnehmers hätte erkennen können. Kann der
Lieferant dann nicht das Gegenteil beweisen, muss er damit rechnen, das
erhaltene Geld zurückzahlen zu müssen. "Durch die neue Rechtslage ist
plötzlich ein sehr erhebliches, beinahe unkalkulierbares Risiko
entstanden", so Meurer. Obwohl Kreditversicherer auch dieses Risiko
versichern, sprach er sich für gesetzliche Änderungen aus: Der
Anfechtungszeitraum sollte verkürzt und geschäftsübliche Vereinbarungen
wie Ratenzahlungen und Stundungen zur Überbrückung wirtschaftlicher
Krisen nicht als Indizien für eine Insolvenz anerkannt werden.
Kreditversicherer erwarten für 2015 wieder mehr Unternehmensinsolvenzen
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