Europa ist ein Kontinent von säumigen Schuldnern
Alarmierende Studie: Das europäische Zahlungsverhalten lässt sehr zu
wünschen übrig. Nur 75 Prozent der Rechnungen werden pünktlich
beglichen. Im Süden schiebt man offene Zahlungen besonders gern auf.
Die Welt. 04.08.2014 Von
Carsten Dierig
Die höchsten Zahlungsverzögerungen bei Privat- und Geschäftskunden
verzeichnen Griechenland, Bulgarien, Rumänien und die Slowakei
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In Europa herrscht eine
schlechte Zahlungsmoral. Lediglich 75 Prozent der Unternehmen und
Privatkunden begleichen pünktlich ihre Rechnungen. Das ist das Ergebnis
der aktuellen Studie "Europäische Zahlungsgewohnheiten" von Deutschlands
größtem Inkasso-Anbieter EOS, die der "Welt" exklusiv vorliegt. "Das
Zahlungsverhalten in Europa ist stark verbesserungswürdig", sagt
EOS-Geschäftsführer Klaus Engberding. Vor allem Industrieunternehmen
seien säumige Zahler.
Besonders
schlecht ist die Zahlungsmoral im Südosten Europas. In Bulgarien und
Rumänien etwa werden gerade einmal 70 Prozent der Rechnungen
termingerecht bezahlt. Und auch in Griechenland und der Slowakei bleibt
der Wert mit 71 Prozent unterdurchschnittlich. Besser sieht es dagegen
in Frankreich und vor allem in Deutschland aus.
Während immerhin 80 Prozent der Franzosen zuverlässig zahlen, begleichen hierzulande sogar 83 Prozent fristgerecht ihre Rechnungen.
"Die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen in Europa sind sehr
unterschiedlich – da ist es nicht überraschend, dass wir
unterschiedliches Zahlungsverhalten beobachten", sagt Engberding.
Trotzdem ist der
Manager entsetzt. "Im internationalen Vergleich ist der deutsche Wert
zwar relativ gut. Betriebswirtschaftlich gesehen ist diese Zahl trotzdem
alarmierend." Schließlich bedeute sie, dass fast jeder sechste Kunde in
Deutschland seine Rechnungen verspätet oder am Ende gar nicht bezahlt.
Zahlungsausfälle gefährden Existenzen
Komplettausfälle
gibt es nach EOS-Angaben hierzulande in rund zwei Prozent der Fälle und
damit halb so oft wie im europäischen Durchschnitt. "Nur zwei Prozent
Zahlungsausfälle in Deutschland – das hört sich niedrig an, ist aber
absolut betrachtet ein schwindelerregend hoher Betrag", sagt Engberding.
Am Ende gehe es noch immer um viele Milliarden Euro.
Und das gefährde
Existenzen. "Liquiditätsmangel ist eine der häufigsten
Insolvenzursachen", beschreibt der Geschäftsführer. Vor allem
Kleinbetriebe sind gefährdet, wenn ihre Leistungen zu spät oder gar
nicht bezahlt werden. "Die Zahlungsausfälle belasten die Renditen der
Unternehmen und können am Ende Arbeitsplätze kosten."
Gründe für die
schlechte Zahlungsbereitschaft gibt es viele. Bei den Privatkunden
listet die Studie, für die TNS Infratest im Auftrag von EOS 2600
Finanzexperten aus zwölf europäischen Ländern befragt hat, an oberster
Stelle einen vorübergehenden Liquiditätsengpass auf, gefolgt von
Arbeitslosigkeit und Vergesslichkeit.
Bei
Unternehmenskunden wiederum steht ebenfalls ein momentaner
Liquiditätsengpass an erster Stelle. Zweithäufigster Grund sind
Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden. Darüber hinaus werden aber auch
Insolvenz, mangelnde Professionalität bei der Rechnungsbearbeitung und
vorsätzliches Nichtbezahlen genannt.
Firmen haben Angst, Kunden zu verlieren
Vor allem in
Osteuropa trauen Rechnungssteller ihren Kunden betrügerische Absichten
zu. Stattliche 25 Prozent der befragten Unternehmen wittern Betrug
vonseiten der Privatkunden und immer noch 19 Prozent vonseiten der
Firmenkunden.
"Dass so viele
Befragte davon ausgehen, dass ihre Kunden nicht vorhaben, ihre
Rechnungen zu zahlen, liegt sicherlich auch an dem schwierigen
wirtschaftlichen Umfeld, in dem wir uns in Europa bewegen", sagt
Hans-Werner Scherer, der Vorsitzende der Geschäftsführung der EOS
Gruppe. Schließlich sei durch hohe Arbeitslosigkeit wenig Geld im Umlauf
und die Kaufkraft dadurch gering. "Eine angespannte finanzielle
Situation zwingt zwar niemanden zu unredlichem Handeln, sie ist aber ein
Nährboden."
Aus Sicht von
EOS sind es aber nicht alleine Notsituationen, die Kunden davon
abhalten, Rechnungen zu begleichen. "Die Angst vor Kundenverlusten lässt
viele Unternehmen im Umgang mit säumigen Zahlern zögerlich werden",
glaubt Klaus Engberding, der bei der Otto-Tochter für das
Deutschlandgeschäft zuständig ist. Und das würden einige Kunden nicht
nur bemerken, sondern auch ausnutzen.
Mängel beim Forderungsmanagement
"Wenn ich als Kunde lerne, dass Zahlungsverzögerungen
nicht konsequent verfolgt werden, ist das kein Wunder." Engberding
moniert in dem Zusammenhang ein Kulturproblem in der
Unternehmenslandschaft. "Das Forderungsmanagement wird häufig nicht
professionell genug betrieben", sagt der Manager und wundert sich mit
Verweis auf die noch frischen Erfahrungen aus der Finanzkrise.
In Deutschland
lassen Schätzungen zufolge lediglich 40 Prozent der Unternehmen ihre
Rechnungen von Inkasso-Dienstleistern eintreiben, 60 Prozent haben ein
eigenes Mahnwesen. EOS, die 2012 bei rund 20.000 Kunden auf gut eine
halbe Milliarde Euro Umsatz kamen, sehen mittlerweile aber eine
steigende Nachfrage.
Deutliche
Verbesserungen bei den Zahlungsgewohnheiten scheinen vorerst trotzdem
nicht in Sicht. Zwei Drittel der befragten Unternehmen jedenfalls
rechnen der Umfrage zufolge nicht mit einer Verbesserung der
Zahlungsmoral in den kommenden zwei Jahren. In Westeuropa ist die
Skepsis dabei deutlich höher als im Osten. Dabei gilt: Je schlechter die
derzeitige Zahlungstreue, desto höher sind die Hoffnungen auf eine
Verbesserung der Zahlungsmoral.
Beschränkte Zahlungsfristen
Hilfe von der Politik hat es zuletzt schon gegeben. Seit wenigen Tagen gilt in Deutschland das "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr",
das auf eine europäische Richtlinie zurückgeht. Danach dürften
Zahlungsfristen in der Regel nicht mehr als 30 Tage betragen, um die
Liquidität und damit die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der kleinen
und mittleren Unternehmen zu verbessern.
Vertragsklauseln,
nach denen zum Beispiel Handwerker bis zu 90 Tage auf ihr Geld warten
müssen, gehören damit der Vergangenheit an. "Das ist ein gutes Zeichen
für den Mittelstand und die Zahlungskultur in Deutschland", kommentiert
Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deutschland allerdings hatte im europäischen
Vergleich ohnehin schon deutlich kürzer Zahlungsziele als Kunden in
anderen EU-Ländern.
Europaweit
liegt der Durchschnitt bei 37 Tagen. Dabei haben Privatleute im Mittel
28 Tage Zeit, Firmenkunden 42. Mit die längsten Fristen gelten bislang
in Spanien mit 42 Tagen für Privatleute und 64 Tagen für Geschäftskunden
sowie in Griechenland mit 42 beziehungsweise 56 Tagen.
Im Vergleich zu den Nachbarn in Westeuropa zahlen die Deutschen ihre
Rechnungen und Forderungen überdurchschnittlich termingerecht
Foto:
Infografik Die Welt
Das ist ein super interessanter Artikel! Vielen Dank dafür..
AntwortenLöschenIch habe auch schon Erfahrungen gemacht: Wenn sich Kunden Zeit mit der Begleichung ihrer Rechnung lassen, reichen die liquiden Mittel aus dem Kontokorrent oft nicht aus. Steigende Lieferantenverbindlichkeiten, zähe Verhandlungen mit der Bank und daraus resultierende, immer aufwändigere Dokumentationen sind die Folge. Ich hab das Factoring mal mit closefinance.de ausprobiert und bin überzeugt, dass das so gut klappt. Mit Factoring verfügt man über eine geniale Finanzierungsalternative, die dem Unternehmen sofortige Liquidität sichert.
Dieses Verfahren bedeutet, dass eine Bank dem Versandhaus die Forderungen an seine Kunden abkauft und damit das Risiko übernimmt, dass die Käufer auf Raten, verspätet oder womöglich gar nicht zahlen. Der Versandhändler bekommt sein Geld sofort und bleibt damit flüssig. Klingt für mich sehr gut..
Sehr geehrte Frau Friedrich, vielen Dank für Ihre Einschätzung. Factoring ist in der Tat eine hervorragende Möglichkeit sich gegen die schlechte Zahlungsmoral zu schützen und bietet glechzeitig eine bankenunabhängige Finanzierung. Die Nachfrage wächst sehr stark und wir beraten unsere Mandanten immer öfter zu allen Fragen rund um das Factoring.
AntwortenLöschenBeste Grüße aus Aachen Andreas Krummlauf