Montag, 4. August 2014

Europa ist ein Kontinent von säumigen Schuldnern

Alarmierende Studie: Das europäische Zahlungsverhalten lässt sehr zu wünschen übrig. Nur 75 Prozent der Rechnungen werden pünktlich beglichen. Im Süden schiebt man offene Zahlungen besonders gern auf.
Die Welt. 04.08.2014 Von Carsten Dierig

In Europa herrscht eine schlechte Zahlungsmoral. Lediglich 75 Prozent der Unternehmen und Privatkunden begleichen pünktlich ihre Rechnungen. Das ist das Ergebnis der aktuellen Studie "Europäische Zahlungsgewohnheiten" von Deutschlands größtem Inkasso-Anbieter EOS, die der "Welt" exklusiv vorliegt. "Das Zahlungsverhalten in Europa ist stark verbesserungswürdig", sagt EOS-Geschäftsführer Klaus Engberding. Vor allem Industrieunternehmen seien säumige Zahler.
Besonders schlecht ist die Zahlungsmoral im Südosten Europas. In Bulgarien und Rumänien etwa werden gerade einmal 70 Prozent der Rechnungen termingerecht bezahlt. Und auch in Griechenland und der Slowakei bleibt der Wert mit 71 Prozent unterdurchschnittlich. Besser sieht es dagegen in Frankreich und vor allem in Deutschland aus.

Während immerhin 80 Prozent der Franzosen zuverlässig zahlen, begleichen hierzulande sogar 83 Prozent fristgerecht ihre Rechnungen. "Die gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen in Europa sind sehr unterschiedlich – da ist es nicht überraschend, dass wir unterschiedliches Zahlungsverhalten beobachten", sagt Engberding.

Trotzdem ist der Manager entsetzt. "Im internationalen Vergleich ist der deutsche Wert zwar relativ gut. Betriebswirtschaftlich gesehen ist diese Zahl trotzdem alarmierend." Schließlich bedeute sie, dass fast jeder sechste Kunde in Deutschland seine Rechnungen verspätet oder am Ende gar nicht bezahlt.

Zahlungsausfälle gefährden Existenzen

Komplettausfälle gibt es nach EOS-Angaben hierzulande in rund zwei Prozent der Fälle und damit halb so oft wie im europäischen Durchschnitt. "Nur zwei Prozent Zahlungsausfälle in Deutschland – das hört sich niedrig an, ist aber absolut betrachtet ein schwindelerregend hoher Betrag", sagt Engberding. Am Ende gehe es noch immer um viele Milliarden Euro.
Und das gefährde Existenzen. "Liquiditätsmangel ist eine der häufigsten Insolvenzursachen", beschreibt der Geschäftsführer. Vor allem Kleinbetriebe sind gefährdet, wenn ihre Leistungen zu spät oder gar nicht bezahlt werden. "Die Zahlungsausfälle belasten die Renditen der Unternehmen und können am Ende Arbeitsplätze kosten."

Gründe für die schlechte Zahlungsbereitschaft gibt es viele. Bei den Privatkunden listet die Studie, für die TNS Infratest im Auftrag von EOS 2600 Finanzexperten aus zwölf europäischen Ländern befragt hat, an oberster Stelle einen vorübergehenden Liquiditätsengpass auf, gefolgt von Arbeitslosigkeit und Vergesslichkeit.

Bei Unternehmenskunden wiederum steht ebenfalls ein momentaner Liquiditätsengpass an erster Stelle. Zweithäufigster Grund sind Zahlungsausfälle bei eigenen Kunden. Darüber hinaus werden aber auch Insolvenz, mangelnde Professionalität bei der Rechnungsbearbeitung und vorsätzliches Nichtbezahlen genannt.

Firmen haben Angst, Kunden zu verlieren

Vor allem in Osteuropa trauen Rechnungssteller ihren Kunden betrügerische Absichten zu. Stattliche 25 Prozent der befragten Unternehmen wittern Betrug vonseiten der Privatkunden und immer noch 19 Prozent vonseiten der Firmenkunden.

"Dass so viele Befragte davon ausgehen, dass ihre Kunden nicht vorhaben, ihre Rechnungen zu zahlen, liegt sicherlich auch an dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld, in dem wir uns in Europa bewegen", sagt Hans-Werner Scherer, der Vorsitzende der Geschäftsführung der EOS Gruppe. Schließlich sei durch hohe Arbeitslosigkeit wenig Geld im Umlauf und die Kaufkraft dadurch gering. "Eine angespannte finanzielle Situation zwingt zwar niemanden zu unredlichem Handeln, sie ist aber ein Nährboden."

Aus Sicht von EOS sind es aber nicht alleine Notsituationen, die Kunden davon abhalten, Rechnungen zu begleichen. "Die Angst vor Kundenverlusten lässt viele Unternehmen im Umgang mit säumigen Zahlern zögerlich werden", glaubt Klaus Engberding, der bei der Otto-Tochter für das Deutschlandgeschäft zuständig ist. Und das würden einige Kunden nicht nur bemerken, sondern auch ausnutzen.

Mängel beim Forderungsmanagement

"Wenn ich als Kunde lerne, dass Zahlungsverzögerungen nicht konsequent verfolgt werden, ist das kein Wunder." Engberding moniert in dem Zusammenhang ein Kulturproblem in der Unternehmenslandschaft. "Das Forderungsmanagement wird häufig nicht professionell genug betrieben", sagt der Manager und wundert sich mit Verweis auf die noch frischen Erfahrungen aus der Finanzkrise.

In Deutschland lassen Schätzungen zufolge lediglich 40 Prozent der Unternehmen ihre Rechnungen von Inkasso-Dienstleistern eintreiben, 60 Prozent haben ein eigenes Mahnwesen. EOS, die 2012 bei rund 20.000 Kunden auf gut eine halbe Milliarde Euro Umsatz kamen, sehen mittlerweile aber eine steigende Nachfrage.

Deutliche Verbesserungen bei den Zahlungsgewohnheiten scheinen vorerst trotzdem nicht in Sicht. Zwei Drittel der befragten Unternehmen jedenfalls rechnen der Umfrage zufolge nicht mit einer Verbesserung der Zahlungsmoral in den kommenden zwei Jahren. In Westeuropa ist die Skepsis dabei deutlich höher als im Osten. Dabei gilt: Je schlechter die derzeitige Zahlungstreue, desto höher sind die Hoffnungen auf eine Verbesserung der Zahlungsmoral.

Beschränkte Zahlungsfristen

Hilfe von der Politik hat es zuletzt schon gegeben. Seit wenigen Tagen gilt in Deutschland das "Gesetz zur Bekämpfung von Zahlungsverzug im Geschäftsverkehr", das auf eine europäische Richtlinie zurückgeht. Danach dürften Zahlungsfristen in der Regel nicht mehr als 30 Tage betragen, um die Liquidität und damit die Wettbewerbsfähigkeit insbesondere der kleinen und mittleren Unternehmen zu verbessern.

Vertragsklauseln, nach denen zum Beispiel Handwerker bis zu 90 Tage auf ihr Geld warten müssen, gehören damit der Vergangenheit an. "Das ist ein gutes Zeichen für den Mittelstand und die Zahlungskultur in Deutschland", kommentiert Elisabeth Winkelmeier-Becker, die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Deutschland allerdings hatte im europäischen Vergleich ohnehin schon deutlich kürzer Zahlungsziele als Kunden in anderen EU-Ländern.
Europaweit liegt der Durchschnitt bei 37 Tagen. Dabei haben Privatleute im Mittel 28 Tage Zeit, Firmenkunden 42. Mit die längsten Fristen gelten bislang in Spanien mit 42 Tagen für Privatleute und 64 Tagen für Geschäftskunden sowie in Griechenland mit 42 beziehungsweise 56 Tagen.

Im Vergleich zu den Nachbarn in Westeuropa zahlen die Deutschen ihre Rechnungen und Forderungen überdurchschnittlich termingerecht
Im Vergleich zu den Nachbarn in Westeuropa zahlen die Deutschen ihre Rechnungen und Forderungen überdurchschnittlich termingerecht Foto: Infografik Die Welt 
 
 

2 Kommentare:

  1. Das ist ein super interessanter Artikel! Vielen Dank dafür..
    Ich habe auch schon Erfahrungen gemacht: Wenn sich Kunden Zeit mit der Begleichung ihrer Rechnung lassen, reichen die liquiden Mittel aus dem Kontokorrent oft nicht aus. Steigende Lieferantenverbindlichkeiten, zähe Verhandlungen mit der Bank und daraus resultierende, immer aufwändigere Dokumentationen sind die Folge. Ich hab das Factoring mal mit closefinance.de ausprobiert und bin überzeugt, dass das so gut klappt. Mit Factoring verfügt man über eine geniale Finanzierungsalternative, die dem Unternehmen sofortige Liquidität sichert.
    Dieses Verfahren bedeutet, dass eine Bank dem Versandhaus die Forderungen an seine Kunden abkauft und damit das Risiko übernimmt, dass die Käufer auf Raten, verspätet oder womöglich gar nicht zahlen. Der Versandhändler bekommt sein Geld sofort und bleibt damit flüssig. Klingt für mich sehr gut..

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  2. Sehr geehrte Frau Friedrich, vielen Dank für Ihre Einschätzung. Factoring ist in der Tat eine hervorragende Möglichkeit sich gegen die schlechte Zahlungsmoral zu schützen und bietet glechzeitig eine bankenunabhängige Finanzierung. Die Nachfrage wächst sehr stark und wir beraten unsere Mandanten immer öfter zu allen Fragen rund um das Factoring.

    Beste Grüße aus Aachen Andreas Krummlauf

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